Pflege durch Angehörige
Versorgungsform – Pflege durch Angehörige
Die Pflege eines älteren oder hilfsbedürftigen Menschen durch Angehörige war bis vor einigen Jahrzehnten noch etwas ganz Normales. Großfamilien lebten in mehreren Generationen zusammen in einem Haus, jeder hatte seine Aufgaben. Die Senioren dieser Familie zu versorgen war aufwändig aber machbar, weil sich alle zuständig fühlten, die gemeinsam unter einem Dach lebten. In unserer Zeit ist das oft nicht mehr möglich, da in den meisten Familien alle Mitglieder berufstätig sind oder weit auseinander wohnen. Aber wenn es machbar ist – umso besser. Im Alter in der Familie verbleiben zu dürfen, ist gerade in unserer Zeit etwas ganz Besonderes.
Definition
Pflege durch Angehörige bedeutet nicht zwangsläufig, dass eine pflegebedürftige Person im Haushalt ihrer Angehörigen lebt. Aber es bedeutet, dass sie durch ihre Angehörigen gepflegt wird. Das kann durch eine oder mehrere Personen abwechselnd geschehen. Um einen finanziellen Ausgleich zu schaffen, können pflegende Angehörige Pflegegeld beantragen. Falls zusätzlich die Unterstützung eines ambulanten Pflegedienstes in Anspruch genommen werden muss, können Pflegesachleistungen beantragt werden. Um diese finanziellen Hilfen in Anspruch nehmen zu können, muss allerdings eine Einstufung in eine Pflegestufe bzw. einen Pflegegrad durch den MDK vorgenommen werden.
Leistungen, die erbracht werden
Pflegende Angehörige erbringen unterschiedliche Leistungen, je nach individuellen Erfordernissen und den persönlichen Grenzen. Pflege setzt sich grundsätzlich zusammen aus der Grundpflege, der medizinischen Behandlungspflege und der sozialen Betreuung eines pflegebedürftigen Menschen und innerhalb dieses Spektrums kann das sehr wenig oder sehr viel Pflegeaufwand bedeuten.
In der Regel übernehmen pflegende Angehörige die Grundpflege selbst. Dazu gehört die Unterstützung oder komplette Durchführung der persönlichen Hygiene, wie auch das An- und Auskleiden oder der Wechsel von Inkontinenzmaterial. Es gibt jedoch Angehörige, die sich ausschließlich um die soziale Betreuung und die Verpflegung kümmern und die Grundpflege sowie eine eventuell anfallende medizinische Behandlungspflege durch einen ambulanten Pflegedienst durchführen lassen.
Möglich ist in den Leistungen jedes Modell, aber nicht jedes Modell ist auch sinnvoll. Welche Leistungen die Angehörigen übernehmen und welche durch einen Pflegedienst durchgeführt werden sollten, hängt immer von der persönlichen Belastbarkeit der Angehörigen ab.
Kosten und Kostenträger
Pflegende Angehörige können Pflegegeld beantragen sowie Pflegesachleistungen. Ansprechpartner hierfür sind die zuständigen Pflegekassen, die auch Kostenträger dieser Leistungen sind.
Zunächst aber muss eine Einstufung durch den MDK in einen Pflegegrad stattfinden. Die Höhe von Pflegegeld und Pflegesachleistung ist abhängig vom anerkannten Pflegegrad. Als pflegender Angehöriger sollten Sie wissen, dass das Pflegegeld Ihnen als finanzieller Ausgleich zusteht und unbedingt in Anspruch genommen werden sollte. Pflegesachleistungen allerdings können Sie für eigene Leistungen nicht erhalten – sie werden ausschließlich für die professionelle Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst gezahlt.
Die Gesetze zu Pflegegeld und Pflegesachleistungen sind im SGB V und im SGB XI geregelt.
Was muss ich tun, um Pflegegeld für die Angehörigenpflege in Anspruch zu nehmen?
- Falls noch kein Pflegegrad durch den MDK festgestellt wurde, sollten Sie sich zunächst an die zuständige Pflegekasse wenden und die Begutachtung und Einstufung beantragen. Sie erhalten daraufhin zeitnah einen Termin per Post. Ein Gutachter des MDK kommt hierfür zu Ihnen nach Hause.
- Sobald Ihnen das Ergebnis der Begutachtung schriftlich vorliegt, können Sie bei der zuständigen Pflegekasse einen Antrag auf Pflegegeld stellen.
- Wenn Sie beabsichtigen, einen ambulanten Pflegedienst für spezielle Leistungen zu beauftragen, sollten Sie sich bei entsprechenden Dienstleistern informieren und beraten lassen. Sobald Sie sich für einen Pflegedienst entschieden haben, lassen Sie sich ein schriftliches Angebot für die vereinbarten Leistungen aushändigen.
- Im letzten Schritt können Sie dann die Pflegesachleistungen bei der zuständigen Pflegekasse beantragen.
Herausforderungen und Entlastungen
Pflegende Angehörige kümmern sich liebevoll, aber sie stoßen schnell auf persönliche Grenzen in der Pflege. So kann es beispielsweise die Grundpflege erschweren, wenn Sie Hemmungen haben, intime Waschungen bei Ihrem Angehörigen durchzuführen – oder dieser sich selbst dagegen sträubt. Schaut man sich die Tabellen der Pflegegrade und der jeweils zustehenden Pflegegelder und Pflegesachleistungen an, stellt man schnell fest, dass es sich sogar bei einer Einstufung in einen niedrigen Pflegegrad lohnt, Unterstützung in Form eines ambulanten Pflegedienstes in Anspruch zu nehmen.
So erhalten pflegende Angehörige beispielsweise beim festgestellten Pflegegrad 1 kein Pflegegeld. Allerdings können bereits Pflegesachleistungen bei der Pflegekasse beantragt werden. Diese wurden für die Jahre 2017 und 2018 auf 125 Euro pro Monat festgesetzt. Pflegegrad 1 bedeutet jedoch vom pflegerischen Aufwand her häufig nicht mehr als das An- und Ausziehen orthopädischer Strümpfe morgens und abends. Da das Anziehen sehr anstrengend ist, stellt sich die berechtigte Frage, ob man den Anspruch auf die dem Versicherten zustehenden Pflegesachleistungen nicht bereits sollte, um etwas persönliche Entlastung zu erfahren. Sie sollten sich also ruhig mit einem ambulanten Pflegedienst zusammensetzen und besprechen, welche Leistungen Ihr Angehöriger hierfür erhalten kann. Selbst wenn der Pflegedienst nur am Wochenende Unterstützung leistet, entsteht Ihnen als pflegender Angehöriger bereits eine deutliche Entlastung.
Beim Pflegegrad 2 erhalten pflegende Angehörige für die Jahre 2017 und 2018 ein Pflegegeld von 316 Euro. Der Anspruch auf Pflegesachleistungen liegt hier immerhin schon bei einem Betrag in Höhe von 689 Euro. Die Beträge des Pflegegeldes und der Pflegesachleistung steigen mit jeder Einstufung in einen höheren Pflegegrad. Allerdings bedeutet das gleichzeitig, dass auch der Pflegeaufwand steigt. Um eine ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten durch Angehörige oder die Kombination pflegender Angehöriger und einem ambulanten Pflegedienst zu gewährleisten, hat der zu pflegende Versicherte halbjährlich (vierteljährlich in schwierigen Fällen) einen Anspruch auf eine fachgerechte Pflegeberatung.
Pflegende Angehörige müssen häufig irgendwann feststellen, dass sie die Pflege zu Hause nicht mehr leisten können. Rollstuhlfahrer beispielsweise benötigen eine barrierefreie Umgebung. Bei Demenzerkrankungen drohen in einer normalen, häuslichen Umgebung große Gefahren und man darf einen demenzkranken Menschen ab einem gewissen Stadium der Erkrankung nicht mehr aus den Augen lassen. Spätestens bei den Pflegegraden 4 und 5 können Angehörige die Pflege zu Hause häufig einfach nicht mehr leisten und ein Umzug in eine stationäre Einrichtung sollte in Erwägung gezogen werden.
Tipps und Hinweise
- Neben Pflegegeld und Pflegesachleistungen haben Pflegebedürftige auch einen Anspruch auf die anteilige oder vollständige Kostenübernahme für Pflegehilfsmittel wie Rollatoren und Rollstühle, spezielle Pflegebetten, Matratzen, Auflagen, Inkontinenzmaterial usw. Sie sollten darüber mit der zuständigen Krankenkasse bzw. Pflegekasse sprechen.
- Wenn der MDK zum Begutachtungstermin erscheint, ist es hilfreich, wenn Sie nachweisen können, wie viel Zeit Sie in die Pflege und Betreuung Ihres Angehörigen investieren. Viele Dinge, die Sie tun, mögen Ihnen nicht bewusst sein, weil sie nebenher geschehen. Trotzdem sollten Sie alles gewissenhaft notieren – und zwar Tag für Tag. Auch wenn die Unterstützung beim Anziehen des Pullovers oder der Schuhe nur zwei Minuten Ihrer Zeit beansprucht – diese zwei Minuten sollten Sie aufschreiben: Ihre Notizen können wichtigen Einfluss auf das Ergebnis des Gutachtens nehmen und sogar die Einstufung in einen höheren Pflegegrad bewirken.
- Diese Notizen sollten Sie fortlaufend führen, denn anhand dieser stellen Sie auch fest, wenn der pflegerische Aufwand größer wird. In diesem Fall sollten Sie umgehend eine erneute Begutachtung und eventuell die Einstufung in einen höheren Pflegegrad durch den MDK beantragen, da dies auch wiederum bedeutet, dass ein höheres Pflegegeld und höhere Pflegesachleistungen beantragt werden können.