Nadelstichverletzungen in der ambulanten Pflege
Als Nadelstichverletzung werden alle Traumata bezeichnet, die durch Nadeln, Kanülen, Lanzetten und Skalpelle, oder durch chirurgische Drähte ausgelöst werden.
Wenn Du in der ambulanten Pflege arbeitest, betreust Du vermutlich auch Patienten, die Spritzen oder Infusionen bekommen, z.B. insulinpflichtige Diabetiker. Daher ist die Gefahr und der Umgang mit Nadelstichverletzungen ein bedeutsames Thema für Dich.
Nach Aussage des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe kommt es bei Pflegekräften in Deutschland jedes Jahr zu mehreren tausend Verletzungen dieser Art. Insbesondere wenn das Instrument bereits Kontakt mit potentiell ansteckenden Körperflüssigkeiten des Patienten hatte, besteht neben den akuten Komplikationen immer auch die Gefahr von Spätfolgen.
Mögliche Folgen einer Nadelstichverletzung
Akute Auswirkungen
Neben dem Schreck, dem Schmerz und der Hautverletzung besteht immer die Gefahr, dass sich die Einstichstelle entzündet. Nadelstichverletzungen finden in der Regel an der Hand/an den Fingern statt. Diese Körperteile sind gut durchblutet – dementsprechend kann es nach einer Verletzung zu Blutungen an der Einstichstelle kommen. In diesem Fall besteht auch eine Infektionsgefahr für den Patienten!
Die Hände sind ein wichtiges Instrument in der Pflegearbeit – es kann sein, dass Du nach einer tiefen Stichverletzung nicht oder nur eingeschränkt weiterarbeiten kannst. Bei größeren, stark blutenden Wunden kann eine chirurgische Wundversorgung nötig sein. Gegebenenfalls ist eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit die Folge.
Mehr Informationen zur Wundversorgung und zu Sofortmaßnahmen hier: www.bgw-online.de
Spätfolgen
Zu den potentiell lebensbedrohenden Spätfolgen einer Nadelstichverletzung zählen Infektionen mit blutübertragbaren Erregern wie Hepatitis B und C oder HIV. Umso wichtiger ist es, sofort nach einer Nadelstichverletzung einen Virusstatus des Patienten – sofern nicht bereits geschehen – zu erheben. So kann ermittelt werden, ob und an welchen übertragbaren Erkrankungen der Patient leidet. Dieser Status ist maßgeblich mitbestimmend für nachfolgende diagnostische und therapeutische Schritte, die dein Dienstarzt/D-Arzt einleiten muss.
Weiterführende Informationen findest du hier: www.infektionsschutz.gesundheitsdienstportal.de
Was kann ich tun, um mich zu schützen?
Prophylaktische Maßnahme
- Halte Dich an die Impfempfehlungen deines Betriebsarztes. Ein Impfschutz gegen Hepatitis B ist unerlässlich. Die Kosten werden vom Arbeitnehmer übernommen. Gegen Hepatitis C und HIV gibt es noch keine Schutzimpfungen.
- Informiere Dich vor invasiven medizinischen Maßnahmen am Patienten über eventuelle erschwerende Umstände wie die Angst des Patienten, körperliche und/oder geistige Beeinträchtigungen.
- Sei Dir stets Deines Handelns bewusst. Frage dich vor jeder invasiven Maßnahme: „Was tue ich jetzt in diesem Moment?“
Situative Maßnahme
- Bereite Deinen Arbeitsplatz vor und halte alle benötigten Materialien in Reichweite bereit.
- Trage bei invasiven Tätigkeiten Handschuhe. Bei operativen Eingriffen ist das Tragen von zwei Lagen Handschuhen sinnvoll.
- Informiere den Patienten vor der Injektion bzw. der invasiven Maßnahme, was du gleich machen wirst. Hole Dir gegebenenfalls Assistenz, vor allem beim Setzen von Injektionen bei Kindern oder geistig beeinträchtigten Patienten.
- Halte einen standardisierten Kanülen-Abwurfbehälter bereit. Entsorge die benutzte Kanüle direkt nach Gebrauch in den Behälter.
- Vermeide Recapping!
- Injektionsgeräte wie z.B. Insulinpumpen sollten wenn möglich nur vom Besitzer verwendet werden.
Sofern vorhanden, sollten Sicherheitsgeräte zum Einsatz kommen. Es wird zwischen Passiv Sicheren und Aktiv Sicheren Instrumenten unterschieden.
Zu den Passiv Sicheren Einmalinstrumenten für perkutane Eingriffe gehören unter anderem Schutzkappeneinrichtungen an Pens, die nach der Injektion automatisch über die Nadel klappen. Fertigspritzen für Impfungen und Antithromboseprophylaxe gehören ebenfalls in diese Kategorie.
Der Einsatz von Aktiv Sicheren Einmalinstrumenten erfordert ein aktives Zutun der Pflegekraft bei deren Handhabung. So gibt es Injektionsnadeln dieser Kategorie, bei denen nach der Injektion eine Schutzkappe mit dem Daumen über die Nadel geklappt werden kann. Ebenso gibt es Einwegskalpelle mit arretierbarer Schutzkappe, die nach dem Einrasten der Schutzabdeckung die Schnittfläche nicht erneut freigeben.
Weitere Informationen zu diesem Thema: www.nadelstichverletzung.de
Kostenübernahme
Die aktuelle Praxis der Kostenübernahme von Sicherheitsgeräten ist sowohl für die Pflegekräfte als auch für die Patienten unbefriedigend. Die Konkretisierung und Verschärfung der Arbeitsschutzrichtlinien wurde lediglich auf dem Papier vorgenommen. In der Realität sieht es oft anders aus.
Der Einsatz von Sicherheitsgeräten für invasive medizinische Instrumente ist gesetzlich vorgeschrieben, sofern es sie gibt und sofern diese zur Infektionsvermeidung notwendig sind. Die Gefahr einer Infektion besteht bei der Pflege von Patienten mit nachgewiesenen Erregern von HBV, HBC oder HIV. Ebenso ist ein Einsatz von Sicherheitsgeräten für invasive Maßnahmen an fremdgefährdenden Patienten vorgeschrieben, bei Blutabnahmen – sowohl kapillar als auch venös – und beim Legen von Venenverweilkathetern.
Doch selbst wenn oben genannte Faktoren zutreffen, verweigern die Krankenkassen die Kostenübernahme. Hilfsmittel wie Kanülen, Lanzetten oder Skalpelle werden im ambulanten Bereich patientenindividuell verschrieben – unabhängig davon, ob die Nutzung durch den Patienten selbst erfolgt oder durch Dritte.
Die Krankenkassen verordnen und zahlen ausschließlich die kostengünstigeren Varianten ohne Sicherheitsvorkehrungen, ungeachtet der Gefährdung der Pflegekraft bei Ausführung der Versorgung durch einen Pflegedienst.
Weitere Informationen: www.bgw-online.de
Fazit: Es gibt eine Vielzahl von heute schon umsetzbaren Schutzmaßnahmen, um eine Nadelstichverletzung zu vermeiden – mache sie Dir zu Nutze!