Wie mit Zeitdruck in der Pflege umgehen?
Überall ist von Zeitdruck und Stress in der Pflege die Rede. Pflegekräfte überschreiten nicht selten ihre körperliche und psychische Belastbarkeit und werden krank, insbesondere in der stationären Pflege. Die Ursachen dafür sind jedoch bekannt und können beseitigt werden – wenn die zuständigen Führungskräfte es wirklich wollen. Arbeit in der Pflege ist immer anspruchsvoll, aber sie muss nicht zwangsläufig krank machen.
Zeitdruck in der Pflege entsteht durch mehrere Faktoren
- Schlechte Personalplanung: Zu wenig Pflegekräfte für zu viele Bewohner, zu aufwändige Bewohner für zu wenig Pflegekräfte, in der mobilen Pflege zu aufwändige und/oder zu viele Patienten für eine Pflegekraft.
- Krankmeldungen von Kollegen, die nicht durch Ersatzpflegekräfte kompensiert werden.
- Zu viele Zusatzaufgaben bei grundsätzlich bereits zu geringem Personaleinsatz.
Zeitdruck verhindern!
Zeitdruck bei den Pflegekräften zu verhindern, ist vorrangig Aufgabe der Führungskräfte, und damit sind Heimleitungen, Pflegedienstleitungen, unter Umständen (in der mobilen Pflege) auch die Geschäftsführung angesprochen. Die Bewohnerstruktur, bzw. die Patientenstruktur, muss regelmäßig überprüft werden. Es versteht sich von selbst, dass ein bettlägeriger, pflegebedürftiger Mensch sehr viel mehr pflegerischen Aufwand erforderlich macht als ein Mensch, der sich noch weitgehend selbst versorgt und nur geringfügige Unterstützung braucht. Gleiches gilt für die Bereiche der medizinischen Pflege: Fachkräfte müssen Medikamente stellen, die gesamte medizinische Versorgung inklusive der Überprüfung der Vital- und Blutzuckerwerte übernehmen, darüber hinaus die Kommunikation mit den Ärzten übernehmen, die Pflegeplanungen schreiben und regelmäßig evaluieren und darüber hinaus häufig noch die Dienstpläne schreiben. Die Fachkraft in einer Schicht ist also zumeist mit organisatorischen und pflegerischen Aufgaben beschäftigt und fällt in der eigentlichen Pflege und Versorgung der Bewohner weitgehend aus. In den meisten Pflegeheimen wird sie jedoch im Personalschlüssel in der Pflege eingeplant. Es entsteht ein Zeitdruck, der ungeheuerliche Auswirkungen haben kann. Die Folge sind häufig zahlreiche Krankmeldungen, weil die Pflegekräfte einfach körperlich und seelisch erschöpft sind.
Krankmeldungen sind das nächste Problem, das ebenfalls in den Aufgabenbereich der Führungskräfte fällt. Gute Führungskräfte führen Listen zu ihren Mitarbeitern und reagieren, wenn es zu außergewöhnlich häufigen Krankmeldungen kommt. Natürlich wird jeder mal krank, daher sollte es in solchen Listen niemals um die Frage einer Weiterbeschäftigung gehen, sondern eher darum, die Ursachen zu überprüfen, wenn der Krankenstand außergewöhnlich hoch ist. In der Regel ist das nämlich ein deutliches Zeichen für eine Überbelastung. Kranke Pflegekräfte müssen selbstverständlich ersetzt werden, das heißt: Es muss jemanden geben, der in einem solchen Fall eingesetzt wird. Das Arbeitsaufkommen schulterzuckend den verbleibenden Pflegekräften zu überlassen oder Mitarbeiter aus ihrer verdienten Freizeit zu holen, ist keine Lösung. Ein guter und regelmäßiger Kontakt zu einer zuverlässigen Zeitarbeitsfirma ist daher unumgänglich, insbesondere mit einem Blick auf Urlaubsphasen und Zeiten, in denen das Personal durch andere Ursachen – zum Beispiel durch Grippewellen – knapp werden könnte. Die Einführung eines bezahlten Bereitschaftsdienstes für Pflegekräfte, die aktuell nicht im Dienst sind, kann sowohl dem Ärger vorbeugen, wenn Mitarbeiter einspringen müssen, als auch den organisatorischen Aufwand gering halten.
Zeitdruck in der Pflege entsteht für das gesamte Team. Wenn die Fachkräfte mit der medizinischen Versorgung der Bewohner und organisatorischen Angelegenheiten bereits mehr als ausgelastet, aber in der Pflege eingeplant sind, entsteht ein noch größerer Druck für die Pflegehelfer. Es ist keine Seltenheit, dass drei Pflegehelfer sich um die Körperpflege und die Ernährung von 30 Bewohnern kümmern müssen: Waschen, ankleiden, mobilisieren, das sind die täglichen Aufgaben. Darüber hinaus werden aber auch Bewohner geduscht oder gebadet, Essen muss angereicht und die Dokumentation muss erledigt werden. Sehr häufig sind die Pflegekräfte auch für die Ordnung in den Schränken der Bewohner, das Verteilen von Wäsche und Inkontinenzmaterial und das Reinigen von Rollstühlen, Rollatoren und anderen Hilfsmitteln zuständig. Da entsteht sehr schnell Druck, weil die Belastung einfach zu hoch ist, weil die nächste Schicht sich ärgert, wenn Aufgaben liegen geblieben und zusätzlich übernommen werden müssen. Der größte Druck entsteht aber für Pflegekräfte durch den Gedanken, dass sie Bewohner nicht versorgen können, wie sie es verdient hätten. Nicht wenige Pflegekräfte gehen nach ihrem Dienst nach Hause und sind unglücklich, weil sie das Gefühl haben, dass die Menschen, um die es eigentlich geht, auf der Strecke bleiben – weil es einfach nicht zu schaffen ist.
Ambulante Pflege versus stationäre Pflege – die Unterschiede
Das Arbeiten in der ambulanten Pflege unterscheidet sich natürlich enorm von der Arbeit in der stationären Pflege, und bringt eine Menge Vorteile mit sich.
In der stationären Pflege arbeitest du in jeder Schicht in einem Team zusammen mit anderen Pflegekräften. Das Arbeitsaufkommen ist größer, da sich jeder zu jeder Zeit um alle Bewohner kümmern muss – und ebenso um alle Belange der Bewohner. Das bedeutet nicht nur Grundpflege und medizinische Versorgung, sondern auch die ärztliche Kommunikation, die Versorgung mit Wäsche und Inkontinenzmaterial, die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme. Sind alle Bewohner pflegerisch versorgt und sitzen zusammen, kann es zu Spannungen unter ihnen kommen, die Pflegekräfte im stationären Bereich ebenfalls im Blick haben müssen. Oft können sich Pflegekräfte in ihrer Schicht nicht ausschließlich dem Bewohner widmen, den sie gerade pflegen, sondern müssen auf Klingelrufe anderer Bewohner achten, und notfalls auch mal einen Kollegen unterstützen. Als Pflegekraft im stationären Bereich musst du also immer alle Bewohner im Blick haben, bist für alles zuständig und musst auch Kollegen unterstützen. Die Zusammenarbeit im Team klappt auch nicht immer reibungslos. Selbst der teamfähigste Mitarbeiter kann sich durchaus unwohl fühlen in seinem Arbeitsteam. Darüber hinaus ist die Dokumentationspflicht viel strenger und arbeitsintensiver als in der häuslichen Pflege.
In der ambulanten Pflege hingegen bist du auf dich alleine gestellt. Du hast deine festgelegte Route und dein Zeitfenster, in dem du all deine Patienten versorgen musst. Nach einer gewissen Einarbeitungszeit entwickelst du Routine, deine Route geht dir in Fleisch und Blut über und du kennst die Patienten und ihre Angehörigen persönlich. Das Schöne ist, dass du, wenn du bei einem Patienten bist, deine ganze Aufmerksamkeit nur ihm widmen kannst. Es ist also möglich, völlig störungsfrei auch mal ein Gespräch zu führen. Ambulante Pflegekräfte erleben in so gut wie jedem Haushalt, dass man sich auf sie freut, wenn man sie erst mal kennen gelernt hat, und dass die Patienten, wie auch die Angehörigen, eine Bindung zu ihnen aufbauen. Daher sind natürlich insbesondere in der ambulanten Pflege dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse wichtig. Natürlich haben die Pflegekräfte auch mal frei, außerdem arbeitet ja jede Pflegekraft auch im Wechsel zwischen Frühdienst und Spätdienst. Aber in ambulanten Pflegediensten legt man Wert darauf, dass die Patienten möglichst immer von den gleichen Pflegekräften betreut werden. Die pflegerischen Leistungen müssen natürlich auch in der ambulanten Pflege dokumentiert werden – die Dokumentation ist jedoch wesentlich einfacher und lange nicht so aufwändig wie im stationären Bereich.
Wie kann ich mit Zeitdruck umgehen, wenn er unvermeidlich ist?
Konfuzius sagt: „Wenn du es eilig hast, mach langsam.“ Wahrscheinlich weckt dieses Zitat bei den meisten Pflegekräften erst mal ein Kopfschütteln, aber der Sinn ist logisch. Auch bei allerbester Organisation kann es Phasen geben, in denen großer Zeitdruck herrscht. Vielleicht ist ein Kollege ausgefallen, es kommt ein Neueinzug eines Bewohners hinzu – oder, leider unumgänglich – ein Bewohner verstirbt. Und dann gibt es einfach diese schlechten Tage, für die es nicht wirklich einen Grund gibt, manchmal sind einfach alle nicht in Form, und das überträgt sich auch auf die Bewohner. Also hilft nur eines: Ruhe bewahren. Du kannst nur arbeiten, mehr als das kannst du nicht. Wenn du jetzt Hektik verbreitest, zwischen fünf Bewohnern hin und her rennst, überträgst du deine Hektik nur auf die Bewohner. Die werden nervös, daraus ergeben sich meist weitere Anforderungen an dich und letztendlich passieren auch viele Fehler, die noch mehr Zeit kosten. Du kannst also nur eines tun: Die Ruhe bewahren. Das geht natürlich nur, wenn der Zeitdruck eine Ausnahme ist, und eben nicht die Regel.
Checkliste: 5 Tipps gegen Zeitdruck und Stress
- Ruhe bewahren. Ganz nach Konfuzius: Wenn du es eilig hast, mach langsam. Wenn du dich von der Hektik vereinnahmen lässt, gehen viele Dinge schief und machen dir noch mehr Arbeit.
- Sortiere die Prioritäten in den Aufgaben. Wenn ohnehin Zeitdruck herrscht, musst du an einem solchen Tag nicht noch zusätzlich Rollstühle putzen, auch wenn es für diesen Tag auf dem Plan stand.
- Verzichte nicht auf deine Pause. Es ändert nichts, macht dir aber noch mehr Stress. Wenn der Magen knurrt und du völlig erschöpft bist, musst du wenigstens kurzzeitig wieder auftanken. Du bist kein Roboter, sondern ein Mensch.
- Kommt dieser Zeitdruck täglich vor? Dann nimm dir mal eine Woche lang Zeit, trage ein Notizbuch bei dir und notiere all deine Aufgaben mit den Minuten, die du brauchtest, um sie zu erledigen. Bitte deine Kollegen darum, dass sie das Gleiche tun, nur so könnt ihr herausfinden, ob die Arbeit überhaupt zu bewältigen ist – oder der Personalschlüssel geändert werden muss.
- Wenn ihr gemeinsam herausfindet, dass sich eure Bewohnerstruktur nicht mit dem Personalschlüssel verträgt: Sammelt eure Notizen und sucht gezielt das Gespräch mit der Heimleitung und der Pflegedienstleitung. Dinge können sich nur verbessern, wenn der Notstand offenkundig wird.